Kreuzlingen gemeinsam gestalten


Frau Dietsche, können Sie kurz Ihre Aufgaben als Partizipationsbeauftragte erklären?
Anna Dietsche: Zusammen mit Verwaltung und engagierten Akteuren wollen wir die Beteiligungskultur in Kreuzlingen weiterentwickeln. Ich unterstütze und lanciere entsprechende Prozesse. Die neugeschaffene Funktion ist eine Querschnittstelle und beim Präsidium angegliedert. Partizipation erfordert das Mitwirken und das Zusammenspiel von und mit vielen.
Sie arbeiteten in dieser Funktion bereits in anderen Ostschweizer Städten. Haben Sie Unterschiede zwischen Ihren früheren Arbeitsorten und Kreuzlingen festgestellt?
Anna Dietsche: In Kreuzlingen ist der Anteil der nicht stimmberechtigten Bevölkerung nochmals etwas höher als in Rorschach, wo ich acht Jahre gearbeitet habe. Kreuzlingen ist um einiges grösser, Rorschach dafür viel dichter bebaut. In Rorschach habe ich als Leiterin der Quartierkoordination zusammen mit der Quartierbevölkerung und verschiedenen Stellen, wie der lokalen Schulleiterin, unter anderem das Quartierbüro und den Quartiertreff aufgebaut. Ein grosser Teil meiner Arbeit fand direkt im Löwenquartier statt, das Quartierbüro war eine niederschwellige Anlaufstelle. In Kreuzlingen arbeite ich mit der Bevölkerung vor allem projektbezogen. Die Stadt führt seit vielen Jahren die Fachstelle für Integration und Familie und hat den Migrations- und Integrationsrat aufgebaut. Die Bemühungen für einen aktiven Einbezug der Bevölkerung, wie zum Beispiel im Rahmen der Zukunftskonferenz 2023, welche die Mitgestaltung des neuen Leitbilds ermöglichten, finde ich bemerkenswert und wichtig.
Mittlerweile haben Sie einige Projekte gemeinsam mit dem Departement Gesellschaft aufgegleist. Unter anderem "WIR MACHEN STADT". Was genau steckt hinter dieser Initiative?
Anna Dietsche: Mit dem Legislaturziel «Beteiligungsprozess über die ganze Stadt» setzt der Stadtrat ein klares Zeichen: Kreuzlingen will die Beteiligung der Bevölkerung stärken – für eine nachhaltige Stadtentwicklung und ein wertschätzendes Zusammenleben. Die Initiative WIR MACHEN STADT schafft dafür ein gemeinsames Dach: Projekte, die von Zusammenarbeit zwischen der Stadt und engagierten Bewohnerinnen und Bewohnern sowie von Kooperationen mit lokalen Partnerinnen und Partnern geprägt sind, werden künftig unter der Initiative WIR MACHEN STADT sichtbar. Dazu gehören zum Beispiel die Projektschmiede und der neue Quartierbulli.
Eine lebendige Partizipationskultur entsteht nicht allein durch deren gute Kommunikation. Was braucht es noch?
Anna Dietsche: Beteiligung ist ein lernender Prozess. Mit Reflexion, konstruktivem Austausch und vernetztem Zusammenwirken entwickeln wir die Partizipationskultur gemeinsam weiter. Ein Beispiel: Im Rahmen der Zukunftskonferenz 2023 haben sich Personen aus der Bevölkerung gemeldet, die sich weiter einbringen möchten. An unserem weiterführenden Austausch mit ihnen im Februar dieses Jahres hat sich ein grosser Informationsbedarf gezeigt. Wie setzt die Stadt Kreuzlingen das Leitbild um? Wo können sie sich als Einzelperson oder als Gruppe aus der Bevölkerung einbringen? Eine verständliche Information ist ein wichtiges Fundament. Zur Halbzeit der aktuellen Legislatur laden wir deshalb zu einem öffentlichen Anlass ein. Die städtische Information wird erlebbar: Was macht die Stadt aktuell und was ist noch geplant.
Welche Rolle spielt die Bevölkerung dabei?
Anna Dietsche: Am Anlass vom 14. August im Dreispitz, gleich am ersten Donnerstagabend nach den Schulsommerferien, gibt es die Möglichkeit miteinander ins Gespräch zu kommen: Mit engagierten Stadtgestalterinnen und Stadtgestaltern, mit anderen Interessierten oder dem Stadtrat und den Abteilungsleitenden. Der Projektmarktplatz mit Apéro findet bei schönem Wetter draussen auf der Esplanade statt. Mit dabei ist da zum Beispiel auch die neue Mach-Bar. Passend zu WIR MACHEN STADT haben eine Kreuzlingerin und ein Kreuzlinger aus dem Leitbild-Prozess diese Idee entwickelt. Das wird spannend!
Welche Möglichkeiten gibt es, falls geplante Projekte von der Bevölkerung nicht genutzt werden?
Anna Dietsche: Es braucht Ausdauer, eine gewisse Hartnäckigkeit und Flexibilität, das eigene Vorgehen anzupassen. Auch genügend Zeit ist entscheidend, um unterschiedliche Interessensgruppen zu erreichen und verschiedene Perspektiven zu verstehen. Nebst Dialog auf Augenhöhe und Klarheit über Spielräume ist der Mut, neue Wege auszuprobieren - manchmal auch etwas Fantasie - entscheidend, um Beteiligung lebendig und zugänglich zu gestalten.
Ein Blick in die Zukunft: Wie sieht die Partizipationskultur in Kreuzlingen in fünf Jahren aus?
Anna Dietsche: In fünf Jahren ist Beteiligung in Kreuzlingen ein fester Bestandteil einer lebendigen Stadtentwicklung. Verwaltung, Politik, Bevölkerung und verschiedene lokale Organisationen und gesellschaftliche Akteure arbeiten enger zusammen, über Generationen hinweg und zu verschiedenen Lebensbereichen. Es gibt vielfältige, zugängliche Möglichkeiten, mitzudenken, mitzureden und mitzugestalten, sei es bei der Gestaltung öffentlicher Räume oder bei anderen wichtigen Themen.
Zur Person
Mitte September 2024 wurde die neugeschaffene Stelle der Projektleitung Partizipation mit 40 Stellenprozenten besetzt. Anna Dietsche ist in Altstätten SG aufgewachsen und studierte Soziokulturelle Animation an der Hochschule in Luzern. Gemeinsam mit ihrem Mann und zwei Kindern lebt sie in Trogen.